„Die verlorene Welt“ « Z W »

1. Einleitung: Entdeckungen neu sehen

Sir Arthur Conan Doyles Vorstellungskraft trug ihn weit über seine richtungsweisenden Beiträge zur Kriminalliteratur hinaus. In der Verlorenen Welt errichtet er eine Phantasiewelt inmitten freier, ungebändigter Natur –  wie gewohnt reich an Details und geheimnisvollen Verbindungen, Eigenartigkeiten und Wundern.

Überraschender Weise gelangte auch diese Erfindung zu einem Eigenleben – obgleich das Spiel mit der Realität sich diesmal sehr viel komplexer gestaltet: Der Grund dafür liegt nicht allein in der Auswahl angeblicher Fotographien und Landkarten, die einer frühen Originalausgabe beigegeben waren, (vergl. R.D. Batory/ A.S. Sarjant, 1989: S. 16) oder der sorgsamen Einarbeitung historischer und gedanklicher Einflüsse (s.u. Kap. 3.2.): In diesem Roman wird die Wahrhaftigkeit selbst zu einer zentralen Frage, gilt es doch, die Wahrheit in den schier unglaublichen Behauptungen eines ungewöhnlichen Professors aufzuspüren.

Entdeckungen und die Wissenschaft mit ihrer Suche nach Wahrheit stehen daher im Mittelpunkt der Erzählung. Zudem ist Die verlorene Welt tief im geistigen Umfeld der Entstehungszeit verwurzelt: Das entlegene Plateau mit seiner Ansammlung an befremdlichen Urtieren verdankt einen Großteil seiner Faszination zwei der produktivsten Zweige viktorianischen Denkens: Geologie und (evolutionäre) Naturgeschichte.

Der Akt der Entdeckung, des Entdeckens, ist indes als solcher sehr komplex: Er hängt von verschiedensten Vorbedingungen ab, birgt eine Vielzahl philosophischer Probleme und führt bleibende Veränderungen herbei. Die Auffassung des Romans zu solchen Fragen nachzuvollziehen ist Ziel dieser Arbeit.

Das Thema legt eine zweistufige Herangehensweise nahe: In einem ersten Schritt werden die im Text vertretenen Ansichten durch eine genaue Textintepretation freigelegt. Diese Aussagen werden dann in ihren historischen Zusammenhang eingeordnet.

Der Roman wird, obgleich er erst 1912 erschien, in dieser Arbeit im Wesentlichen als (spät-)viktorianisches Werk betrachtet. Die Unschärfe aller historischen Kategorien (etwa Epochengliederungen), die geistige Herkunft des Autors sowie deutliche Bezugspunkte scheinen dies zu rechtfertigen.

Die thematisierten Fragestellungen erfordern ein hohes Maß an Abstraktion, sodass die gekonnte Handlungsgestaltung des Romans und viele seiner schönen Details unberücksichtigt bleiben. Die Herangehensweise mag daher übertrieben trocken erscheinen für ein Buch, dass sich zuallererst direkt an die  unverstellte Phantasie richtet. Dennoch eröffnet sie nichtsdestoweniger lohnende Einsichten.

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www.text-traeger.de · Autor: Paul - Christoph Trüper, 2005  - 2008.
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