„Die verlorene Welt“ « Z W »

4. Ausblick: Sichtweisen zur Wahrnehmung

Aus kritischer Distanz betrachtet stellt die Entdeckungs-Konzeption des Romans eine besondere Gemengelage aus Dynamik und Optimismus einerseits und Unüberlegtheit und Übersteigerung andererseits dar. Der Akt der Entdeckung ist offenbar stets zugleich rechtens und unbegrenzt möglich.

In unserer Zeit hat sich der Schwerpunkt verlagert: Fremden Kulturen tritt man weitaus mehr mit Bedacht und Achtung gegenüber. Die Natur hat eigene Rechte erhalten und erscheint weniger kontrollierbar. In der Frage „Wohin?“ verlangen eine Vielzahl von Ansätzen Berücksichtigung – und Orientierung ist, so scheint es, nach wie vor von essenzieller Bedeutung, wenn auch weit schwieriger zu erlangen.

Zudem ist der Wissenserwerb selbst zum Diskussionsgegenstand geworden. Sogar unter den besten Erkenntnisbedingungen würde die Erlangung absolut objektiven, allumfassenden Wissens unweigerlich enorme Anforderungen an den Beobachter stellen. Er – oder sie – nimmt also viel eher eine spezifische Beobachtungsposition ein und tritt in eine bestimmte Beziehung zum Gegenstand der Nachforschungen. Während dieses ganzen Prozesses können Einzelheiten hervorgehoben, verdeckt oder sogar regelrecht ausgegrenzt werden. Es bleibt daher fraglich, inwieweit Wissensbestände von den Konzepten, Methoden und Interessen gelöst werden können, die in die jeweiligen Forschungen eingeflossen sind.

Derartige Überlegungen lassen unzweifelhaft eine Kluft zwischen den Darstellungen des Romans und solchen Argumentationslinien erkennen, die vermutlich die Grundprinzipien einer neueren, moderneren Sichtweise sein dürften. Dennoch ist es trotz allem eine Extremreaktion zu behaupten, die Wahrheit als solche habe sich ‚aufgelöst’. Noch immer verlassen wir uns unverändert auf methodisch gewonnenes Wissen und sehen in diesem Sinne das Prädikat „wissenschaftlich geprüft (bzw. getestet)“ als Auszeichnung an.

Wenn Malone von einer Position als Kriegsberichterstatter im nächsten Krieg träumt, so wäre dieser Krieg – im Hinblick auf die tatsächliche geschichtliche Entwicklung – der Erste Weltkrieg gewesen: ein Katastrophenereignis, das auch kulturelle Umbrüche nach sich zog.

Es muss Spekulation bleiben, welche dieser Probleme und Bedenken A. Conan- Doyle selbst in seine Warnung eingeschlossen hätte, man solle “sich breitschultrig in die Tür stellen und den Irrsinn mit ganzer Kraft draußen halten“ (zit.n.: D. Stashower, 2 2002, S. 431, Ü.d.A.), die sich ursprünglich gegen die ästhetische Avantgarde richtete.

Was – ungeachtet aller gedanklichen Grundlagen – bleibt, ist der Reiz einer kunstvoll gestalteten Phantasiereise und das funkelnde Versprechen einer weisen Wissenschaftlerpersönlichkeit, die das Allgemeinwohl nicht aus den Augen verliert.

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www.text-traeger.de · Autor: Paul - Christoph Trüper, 2005  - 2008.
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