5. Fazit: Meine Sicht auf Sherlock Holmes
Mein Zugang zu den Sherlock Holmes- Erzählungen – ein Vorschlag.
Mit diesen abschließenden Bemerkungen geht meine Expedition in die
Welt des Sherlock Holmes zu Ende. Das übergreifende Ziel hinter
den verschiedenen Argumentationssträngen, die ich in jedem Kapitel
verfolgte, war, etwas Licht in die faktischen Hintergründe des fiktiven
Kosmos zu bringen, den Sir Arthur Conan Doyle in seinen Meisterwerken
zum Leben erweckte.
Dementsprechend lenkte ich die Aufmerksamkeit der Leser auf einige
geschichtliche Gegebenheiten und abstrakte Konzepte, die entscheidenden
Einfluss auf den Werkkanon hatten.
An jedem Punkt meiner Nachforschungen zu Sherlock Holmes waren es vor
allem meine eigenen Gedanken und Zweifel zum Werkkanon – von denen die
meisten zu meiner ersten Begegnung mit dem Detektiv zurückreichen –,
die meine analytischen Überlegungen geleitet haben.
Insofern habe ich mein ursprüngliches Ziel erreicht, indem es
mir gelungen ist, einen kritischen Blick auf mehrere wesentliche
Elemente aus Holmes’ Welt zu werfen und sie so in einen größeren
Zusammenhang zu stellen.
Zugleich ist mir eindeutig bewusst, dass es noch viele weitere
Verbindungen aufzudecken gäbe und viele weitere Einzelheiten und
Entwicklungen zu berücksichtigen wären, um zu einer angemessenen
Interpretation von Conan Doyle’s Geschichten zu gelangen: Für jede
Frage, die ich im Laufe meiner Nachforschungen beantwortete, erschienen
viele andere.
Nachdem ich keine andere Wahl hatte, als mich auf einige Aspekte zu
konzentrieren, kann ich nur hoffen, dass meine Leser letztlich doch
einen aussagekräftigen Eindruck erhalten und bei Holmes
höchstpersönlich Trost suchen:
“You see,” he explained, “I consider that a man’s brain originally is like a little empty attic, and you have to stock it with such furniture as you choose. A fool takes in all the lumber of every sort that he comes across, so that the knowledge which might be useful to him gets crowded out […]. Now the skilful workman is very careful indeed as to what he takes into his brain-attic.” (from: A Study in Scarlet)
Meiner Ansicht nach ist der Umstand, dass die Sherlock Holmes- Geschichten, die häufig kluge Einsichten in verschiedene Angelegenheiten des Lebens enthalten, so viele faszinierende Einzelheiten zeigen, Beweis genug, dass der Werkkanon insgesamt alles andere als trivial ist – auch wenn meine Einschätzung vermutlich die meisten Literaturkritiker aufbringen dürfte.
Bei all den Hintergründen die ich mir neu hinzuerhalten habe – und trotz all meinen persönlichen „Abentheuern mit Sherlock Holmes” (1) – hat die Realität des Dedektivs für mich nichts von ihrem Glanz verloren: Ich denke immer noch gern an Sherlock Holmes und Dr. Watson als an zwei gewissenhafte Männer, die in einer verwirrenden und doch angenehmen Umgebung leben, in der stets Zeit bleibt, die Ereignisse des Tages in zwei gemütlichen Wohnzimmersesseln zu diskutieren, und in der sich Lösungen noch durch beharrliches Forschen und Fragen finden lassen. Ja, wenn es nur irgend eine Chance gäbe, wäre ich sogar selbst gerne in der Baker Street bei ihnen zum Tee.
Rückblickend wäre ich froh, wenn ich diesen emotionalen Zugang durch
meine Arbeit nicht zu nichte gemacht, sondern meinen Lesern vielmehr
eine weitere Lesart, die Erzählungen zu verstehen, eröffnet hätte.